Was passiert bei einem Trauma?

Wir Menschen sind (wie andere Säugetiere) von unserer Entwicklungsgeschichte her so angelegt, daß wir in (lebens-) bedrohlichen Situationen entweder mit Flucht oder mit Angriff reagieren, um uns zu retten (englisch: „flight or fright“).
Wenn nun Erfahrungen machen, wie z.B. Gewalt, Missbrauch, ein Unfall, eine Katastrophe oder anderes, das uns zutiefst in unserer Sicherheit erschüttert, unsere Grenzen verletzt und unsere bisherigen Erfahrungen „auf den Kopf stellt“ ist es häufig gar nicht möglich, die Situation durch „wegrennen“ zu bereinigen bzw. den „Gegner“ oder durch einen Angriff auszuschalten. Naturgewalten oder einem Unfall gegenüber ist man z.B. machtlos, ebenso wie ein Kind in einer Missbrauchssituation in der Familie nicht einfach „aus dem Feld gehen“ kann, da es ja auf Halt und Bindung durch Erwachsene angewiesen ist.

In solchen – traumatisierenden - Situationen schaltet unser Gehirn zum Überleben spezielle Schutzmechanismen ein. Diese Reaktionen „retten“ uns dann gewissermaßen durch diese Situationen, können später jedoch, wenn eigentlich alles vorbei ist, schwierig wieder zu lösen sein.

WIE FUNKTIONIERT DIESER SELBSTSCHUTZ?
Ein Übermaß an erlebter Bedrohung, Erschrecken, Angst, Panik und anderen Gefühlen wird in traumatischen Situationen ausgelöst – eine Art „Emotionssturm“. In dem beschriebenen Selbstschutz wird er „weggedrückt“: man distanziert sich innerlich vom Geschehen, etwas in uns erstarrt, wird unbeteiligt, „friert ein“, ähnlich wie beim Computer, der „einfriert“, wenn er die anfallenden Datenmengen nicht verarbeiten kann. PatientInnen berichten dann z.B., dass sie eine Grenzverletzung „wie von Außen“, zuzusagen emotionslos erlebt haben.
Solche angeborenen Schutz-Phänomene kennt in kleinerem Ausmaß jeder: nach einer gefährlichen Situation (z.B. einem Fast-Unfall) schlottern einem dann anschließend die Knie, man muss alles noch mal durchdenken, anderen erzählen, ev. kommen die Tränen etc. In diesem Fall kann dann das Ereignis bzw. die Emotionen verarbeitet werden und es entsteht kein Trauma.
Wenn dies nicht gelingt oder gar nicht möglich ist, weil z.B. niemand da ist oder uns glaubt, tragen wir die Erinnerungen weiter in uns, verschließen sie. Oftmals sprechen Menschen dann nie mehr darüber, wie viele der Kriegsgeneration oder z.B. Opfer von Folter.

DIE FOLGEN DES SELBSTSCHUTZES

Im Alltag können diese alten Erlebnisse und Bilder dann durch verschiedenste Dinge ausgelöst (man sagt auch: “getriggert“) werden und immer wieder heftige emotionale Reaktionen und vielerlei Beschwerden hervorrufen. Um dies nicht geschehen zu lassen, vermeiden traumatisierte Menschen häufig ihr ganzes weiteres Leben bestimmte Situationen und/oder ziehen sich innerlich zurück. Damit sind sie aber andererseits aber auch nicht mehr erreichbar für die Anteilnahme und Unterstützung durch andere Menschen, die jedoch wichtig sind, um zu heilen.
Um alles zu vermeiden, was an die alten Erfahrungen erinnert, kann es z.B. auch gehören, Gedanken an eine Therapie weit beiseite zu schieben, obwohl man ev. weiß oder ahnt, dass dies gut wäre. Wenn Sie als Leser /Leserin so etwas bei sich wieder erkennen, möchte ich Sie ermutigen, das mit „freundlichen Augen“ als wichtigen und normalen Schutzmechanismus zu verstehen und zu würdigen, aber dennoch zu erwägen, ob eine Behandlung für Sie in Frage kommt. Sanfte und moderne Traumatherapie respektiert Ihren Selbstschutz und geht nur so schnell voran, wie es für Sie „stimmt“.
Bei frühen und wiederholten Traumatisierungen (z.B. bei emotionaler Vernachlässigung oder Gewalt in der Familie, fortgesetztem sexuellem Missbrauch) wird häufig auch zusätzlich zu den „weggepackten“ Bildern und Emotionen auch die eigentliche Erinnerung an das Geschehen „weggedrückt“. Es wird einfach vergessen, daß etwas geschehen ist. Wir haben somit ein uns bedrohendes Erinnerungsgut (wie eine Art Minenfeld) in uns, das wir im Alltag umschiffen müssen. Es ist leicht vorstellbar, dass ein „Problem“ für die seelische Balance und Gesundheit darstellt. Das „Wegdrücken“ kostet zudem einen enormen Anteil unserer Kräfte, die und uns dann in anderen Bereichen fehlen: ein befriedigendes und erfülltes Leben mit einem Sinn, mit Freude und Nähe zu uns selbst und anderen ist blockiert oder zumindest sehr erschwert.
Oftmals kommt dann erst nach vielen Jahren die Erinnerung langsam wieder, wenn wir als Erwachsene stabiler geworden sind oder ein äußeres Ereignis verschüttete Erinnerungen freilegt, es sind nicht selten körperliche Reaktionen, die erste Hinweise geben.

Gerne begleite ich Sie in Ihrem Reintegrationsprozess zurück in Ihre Kraft.


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